Die Hofanlage des Anwesens Neudling 10 in Freinberg ist ein typischer Vertreter eines Innviertler Vierseithofs. Vierseithof ist die Bezeichnung für eine Hofform, bei der der landwirtschaftliche Wirtschaftshof von allen vier Seiten von Gebäuden umschlossen ist, in der Regel vom Wohnhaus, dem (regional unterschiedlich bezeichneten) Stadel oder der Scheune, dem Getreidekasten, Kornhaus, Kornspeicher oder dem Getreidespeicher und dem Stall.
Diese Form landwirtschaftlicher Anwesen hat weite Verbreitung gefunden. Mit leichten Unterschieden in der Zweckbestimmung und der Anordnung der Gebäude, der topographischen Lage im Gelände und in der Ausgestaltung (Umzäunung oder Ummauerung) ist der Vierseithof ein sehr charakteristischer Hoftypus. Beim Innviertler Vierseithof sind die vier Gebäude so um den Hof gruppiert, dass die Ecken des Hofs nur durch Tormauern oder Zäune abgeschlossen werden
Der Vierseithof in Freinberg besteht aus vier Gebäudeteilen, dem Wohnhaus, dessen Unterbau gemauert, und das Obergeschoß aus Holz errichtet ist. Den beiden Ställen, welche noch im ursprünglichen Zustand erhalten sind, und der Scheune (Stadel). Die gesamte Bausubstanz blieb in den vergangenen 100 Jahren unverändert. Zum Freinberger Vierseithof gehören auch ein freistehend gemauerter Backofen sowie ein auf Steinfundament stehender Troadkasten (Getreidekasten), welche im Westen des Wohnhauses stehen.
Der Vierseithof in Freinberg ist vor allem durch die Bezeichnung „Altes Forsthaus Freinberg“ bekannt.
Das Alte Forsthaus in Neudling Nr. 10 wird als einer der letzten original erhaltenen „Innviertler Vierseithöfe“ in diesem geographischen Raum bezeichnet. Das gesamte Ensemble ist als sehr erhaltenswürdig eingestuft.
Seine Namensgebung kommt daher, dass in diesem Anwesen fast 100 Jahre der Förster der „Gräflichen Forstverwaltung Faber-Castell“ mit seiner Familie gewohnt hat.
Ursprünglich hat das Anwesen am 14.8.1879 die Familie Mathias und
Katharina Hüttenberger übernommen. Im Jahre 1908 ging der Hof durch Kaufvertrag vom 15.08.1908 an Graf Alexander und Gräfin Ottilie von Faber-Castell in den Besitz der gräflichen Familie, Bleistiftproduzenten aus Nürnberg, Faber-Castell. Durch Vererbung 2009 kam das Anwesen in den Besitz der Familie Auersperg-Castell.
Jahrelang konnten Familien Holzreste, die nicht betrieblich genutzt wurden, zu einem günstigen Preis als sogenannte „Holzwerber“ kaufen. In der Nachkriegszeit befand sich an der gleichen Stelle auch die Sammelstelle für Heidelbeeren und Himbeeren. Familien war Gelegenheit gegeben, ihre selbst gepflückten Beeren gegen Bargeld abzugeben, um so ein Zubrot in diesen harten Zeiten zu verdienen.
Im Forsthaus waren aber auch Gäste gerne gesehen. Durch die große Familie (10 Kinder) des Försters Georg Wenny waren gesellige Abende keine Seltenheit. Wenn Mitglieder der gräflichen Familie aus Nürnberg nach Freinberg zu Besuch kamen, wurde im Forsthaus aufgetischt. Besonders geschätzt wurde die exzellente
Küche der Försterfrau, die gute Bewirtung und die gesellige Unterhaltung. Auch Jagdgäste wurden immer wieder ins Forsthaus eingeladen. Förster Wenny war dafür bekannt, jagdliche Tradition und jagdliches Brauchtum zu pflegen. Vielen Jagdgästen war es gegönnt, nach einer erfolgreichen Pirsch im
Forsthaus den krönenden Abschluss feiern zu dürfen.
Von Seiten der Gemeinde Freinberg und des Kulturkreises Freinberg wurde viele Jahre lang versucht, eine Nutzung der Hofanlage zu erreichen. Der Hof stand bis zum Jahre 2008 im Besitz des Grafen Alexander Faber-Castell. Trotz mehrmaliger Versuche konnte Graf Alexander von Faber-Castell weder zu einer Pacht, noch zu einem Verkauf bewogen werden. Nach der Übernahme des Betriebes „Gräfliche Forstverwaltung Faber-Castell“ durch Henriette von Auersperg-Castell im Jahr 2009 war es im selben Jahr der Gemeinde Freinberg möglich, den Hof käuflich zu erwerben.
Nach dem Ankauf im Jahre 2009 wurde in vielen Besprechungen über die Nutzung des Hofes, über die Finanzierung der Sanierung und über die spätere Verwaltung der Anlage gesprochen und verhandelt.
Letztlich hat sich herausgestellt, dass im finanziellen Bereich seitens der Gemeinde keine wesentlichen Zuwendungen zu den Sanierungsmaßnahmen zu erwarten sind.
Eine LEADER-SAUWALD Förderung ermöglichte dass eine Vermessung der einzelnen Gebäude und der Grundstücke vorgenommen werden konnte. Die Ergebnisse dieser Vermessung flossen in das jetzige Nutzungskonzept ein und waren für die weiteren Sanierungsmaßnahmen von Vorteil.
Das Wohnhaus und die beiden Stallgebäude befanden sich in einem äußerst sanierungsbedürftigen Zustand.
Das Erdgeschoß des Wohnhauses war bis zur Decke mit Schimmel und Pilz befallen. Beim unteren Stall fällt die Außenmauer ein, beim oberen Stall ist ein Teil des Gewölbes bereits eingebrochen. Der Stadel, 1948 errichtet, befindet sich in einem guten Zustand.
2011 haben sich Vertreter des Kulturkreises und der Gemeinde Freinberg zusammengeschlossen und sich bereit erklärt, das Alte Forsthaus zu sanieren. Ein Aufruf zur freiwilligen Mitarbeit der Gemeindebewohner wurde getätigt. Eine Gruppe von Idealisten hat sich das Ziel gesetzt, die notwendigen Sanierungsarbeiten
auszuführen, um die Hofanlage zu erhalten und für künftige kulturelle Zwecke nutzbar zu machen. Mit bescheidenen finanziellen Mitteln und einem immens hohen Einsatz an Eigenleistungen konnte 2012 die Nutzbarkeit des Wohnhauses erreicht werden.
Nach vielen, vielen Besprechungen konnte vom Kulturkreis Freinberg mit Unterstützung der Gemeinde ein Nutzungskonzept für das gesamte „Alte Forsthaus Freinberg“ erarbeitet werden.
Mit Hilfe einer LEADER Förderung und der Gemeinde konnte das umfangreiche Konzept in den Folgejahren, mit tatkräftiger Unterstützung von Vereinen und Gemeindebürgern, unter Ableistung von mehr als 4.000 ehrenamtlichen Stunden, verwirklicht werden.
Ableitend aus der Geschichte des Hofes wurde im ersten Stockwerk mit viel Kleinarbeit ein „Tegelmuseum“, welches die Jahrhunderte des Tegel (Ton) Abbaus in Freinberg vermittelt, eingerichtet werden. Seit 500 Jahren als Freinberger Tone bekannt.
Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in unserem Grenzeck konnte durch ein sehr akribisch zusammengetragenes Zollmuseum ( Zollstube ) veranschaulicht werden. Das Leben der Zöllner mit und an der Grenze wird darin verdeutlicht.
Als krönende Abrundung unserer jahrhundertelangen Grenz- und Nachbarschaftsbeziehung mit Bayern-Passau können wir die Entwicklung der Mundart (Dialekt) in unserem Mundartraum visuell auf unserm Audio -Tisch hörbar machen.
Durch die wissenschaftliche Aufarbeitung welche uns die Universitäten Passau und Regensburg sowie das Adalbert-Stifterhaus in Linz zur Verfügung stellten, können wir eine sehr interessante und lebendige Mundartentwicklung zeigen.
Ein weiterer Raum ist dem künstlerischen Leben im Innviertel und Bayern gewidmet.
Hier bieten wir abwechselnd verschiedenen Künstlern eine Ausstellung ihrer Kunstwerke.
Die „Seele des Forsthauses“ konnte durch die sanfte und originale Renovierung weitgehend erhalten bleiben. So steht heute das „Alte Forsthaus Freinberg“ der Bevölkerung als kulturelles und gesellschaftliches Kleinod zur Verfügung.
Ein sehr wichtiger Aspekt des Nutzungskonzeptes ist die breite und andauernde Nutzung des Forsthauses.
So ist es sehr erfreulich, dass auch die Jägerschaft Freinberg und der Kameradschaftsbund das Forsthaus zu ihrem Domizil gemacht haben.
Der am Gelände des Forsthauses angesiedelte Bienenzuchtverein mit seinem äußerst interessanten BiWaNa – Bienenlehrpfad, sowie die Pfadfindergruppe Freinberg nutzen ebenfalls regelmäßig das Forsthaus.
Im Verlauf der Renovierungsarbeiten wurden die beiden Stallgebäude als Veranstaltungs- und Seminarräume liebevoll ausgebaut.
Der Innenhof und die Stallgebäude werden gerne für Geburtstagsfeiern, Hochzeiten und diverse kulturelle Veranstaltungen gemietet.
Alljährlich findet vor Weihnachten ein Adventmarkt mit den Vereinen der Gemeinde statt.
So konnte am 14. Juli 2019 das „Alte Forsthaus Freinberg“ als neues, stilvoll renoviertes Schmuckstück feierlich, mit mehr als 300 Gästen, eingeweiht und seiner Bestimmung übergeben werden
Kulturkreis Freinberg - Arbeitsgemeinschaft "Altes Forsthaus Freinberg"